Die regulatorischen Anforderungen im Bankenumfeld steigen stetig und damit auch der Aufwand, deren Einhaltung zu überwachen. Dennoch hat eine Aufstockung der dafür notwendigen Fachkräfte häufig nicht in gleichem Maße stattgefunden.

Eine Automatisierung von zeitaufwändigen, wiederkehrenden (und häufig auch lästigen) Aufgaben kann hier deutliche Linderung schaffen und die Compliance-Bereiche somit spürbar entlasten. Die Prüfung auf Prozessautomatisierungsfähigkeit kann zudem auch ganz unabhängig von Vorgaben des Regulators erfolgen und für eine Entlastung der Mitarbeiter sorgen.

Doch wie geht man dies an? Welche Aufgaben und Prozesse lassen sich überhaupt automatisieren? Und woran erkennt man, welche besonders dafür geeignet sind und welche weniger. Was ist bei der konkreten Umsetzung zu beachten? In einer zweiteiligen Serie widmen wir uns diesen Fragen.

Erster Schritt: groß denken, aber pragmatisch bleiben

Oft erfolgt die Identifizierung von Automatisierungspotenzialen bottom-up, weil in einem bestimmten Bereich die Arbeitsbelastung und damit der konkrete Leidensdruck besonders hoch sind. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, weil die Mitarbeiter die zeitlichen Aufwände ihrer verschiedenen Aufgaben am besten einschätzen können.

In den meisten Fällen ist der Prozess aber nur ein Teil einer großen Prozesskette, die sich auch über mehrere Fachbereiche erstrecken kann. Bevor man also eine kleine Lösung baut, die nur wenigen Mitarbeitern in einem einzelnen Fachbereich hilft, sollte geprüft werden, ob eine große Lösung möglich ist, bei der die ganze Prozesskette End-to-End automatisiert wird und die somit allen beteiligten Fachbereichen eine Entlastung verschafft.

Umgekehrt sollte aber die Machbarkeit (z.B. bezüglich Ressourcen und Budget) nicht außer Acht gelassen werden. So kann eine kleine, aber schnell umsetzbare lokale Lösung trotzdem sinnvoll sein, auch wenn grundsätzlich das Potenzial für eine große Automatisierungslösung vorhanden ist.

Mit einer Abwägung des großen Ganzen gegenüber der Machbarkeit kann so die individuell beste Lösung gefunden werden.

Zweiter Schritt: Automatisierungseignung prüfen

Welche Eigenschaften muss ein Prozess nun idealerweise mitbringen, damit er sich gut automatisieren lässt?

Im Folgenden nennen wir einige der wichtigsten technischen Kriterien für eine möglichst vollständige Automatisierung sowie weitere geschäftspolitische Gründe, die für eine Automatisierung sprechen.

Doch auch wenn das Idealbild einer Automatisierungslösung immer ein Straight-Through-Processing (STP) ist, bedeutet das Fehlen einzelner dieser Eigenschaften jedoch nicht zwangsläufig, dass ein Prozess überhaupt nicht automatisiert werden kann. Häufig kann man durch eine vorherige Anpassung des Prozesses dessen Automatisierungseignung verbessern. Und wenn auch das nicht möglich ist, kann man durch eine Teilautomatisierung nur der geeigneten Prozessteile immer noch Einsparungen erzielen.

Digitale, möglichst standardisierte Eingangsdaten:

Je klarer die Eingangsdaten strukturiert sind, umso besser lassen sie sich digital verarbeiten. Dabei ist es zweitrangig, in welchem konkreten Format die Daten vorliegen, d.h. beispielsweise als XML, CSV, Excel oder direkt in einer strukturierten Datenbank. Entscheidend ist, dass zu jedem Zeitpunkt des Prozessablaufs klar ist, wo welche Information zu finden ist.

Sollten Ihre Eingangsdaten diese Voraussetzungen nicht erfüllen, prüfen Sie, ob Ihre Datenlieferanten auf ein einheitliches digitales Format umstellen können oder ob Sie die unterschiedlichen Formate über ein automatisiertes Mapping mit wenig Aufwand in ein einheitliches Format bringen können. Selbst Faxe oder andere papierhafte Dokumente lassen sich häufig noch digitalisieren, wenn sie gut lesbar sind und eine klare Struktur haben. Beispiele für eine solche Digitalisierung sind Banking-Apps. Viele dieser Apps ermöglichen heute beispielsweise das Abfotografieren von papierhaften Überweisungsträgern, die dann direkt von der App ausgelesen und in eine digitale Überweisung umgewandelt werden, um den Kunden das Abschreiben des Überweisungsträgers zu ersparen.

Standardisierter Prozessablauf:

Am einfachsten lässt sich ein Prozess automatisieren, wenn er immer nach dem gleichen Schema abläuft, es also möglichst wenige Sonderbehandlungen gibt, weil sich dadurch auch die Komplexität der Implementierung reduziert.

Wenn Ihr Prozess besonders viele verschiedene Verarbeitungsvarianten erfordert, sodass eine Vollautomatisierung zu aufwändig erscheint, überlegen Sie, ob es Sinn macht, nur die häufigsten Fälle zu automatisieren. Die komplexeren, aber i.d.R. selteneren Fälle können dann weiterhin manuell bearbeitet oder alternativ zu einem späteren Zeitpunkt automatisiert werden. Möglicherweise lassen sich auch die komplexeren Fälle zumindest teilautomatisieren, sodass auch für diese der manuelle Aufwand reduziert wird.

Stabile Verarbeitungslogik:

Im Idealfall wird bei der Implementierung jede Verarbeitungsvariante einmalig umgesetzt und läuft dann über Jahre ohne weitere Anpassungen nach derselben Logik. In der Praxis ist das leider nicht die Regel. Angelieferte Datenformate können sich ändern, neue Anforderungen können hinzukommen. Teilweise fällt ein Prozess komplett weg, weil die Aufgabe von einem neu eingeführten System übernommen wird.

Ein Prozess, dessen Ablauf sich selten ändert, erfordert weniger regelmäßigen Anpassungsaufwand als einer, der häufigen Veränderungen unterliegt. Automatisiert man dennoch einen Prozess, der häufig angepasst wird, dann müssen die Einsparungen den zusätzlichen Aufwand rechtfertigen. Ebenso sollte man einen Prozess, von dem man schon weiß, dass er nur noch einen begrenzten Zeitraum benötigt wird, nur dann automatisieren, wenn man den Aufwand für die Umsetzung in diesem Zeitraum wieder einsparen kann.

Möglichst geringer Bedarf an menschlicher Interaktion

Gerade im Compliance-Umfeld trifft die finale Entscheidung in der Regel noch ein Mensch. Eine Geldwäscheverdachtsmeldung wird man beispielsweise eher nicht vollautomatisch abgeben wollen, da sich das auffällige Kundenverhalten ggf. nach Prüfung zusätzlicher Informationen erklären lässt, sodass sich die Meldung erübrigt. Aber auch in vielen anderen Fällen ist eine Freigabe durch Mitarbeiter vonnöten, die einer Vollautomatisierung im Weg steht.

Grundsätzlich eignet sich ein Prozess, der viel menschliche Interaktion benötigt, daher weniger für eine vollständige Automatisierung, da die Unterbrechungen das Straight-Through-Processing behindern. Trotzdem spricht nichts dagegen, alle anderen Prozessteile bis zur Freigabe (und ggf. danach) automatisch durchführen zu lassen.

Anpassungsbedarf aus regulatorischen oder geschäftspolitischen Gründen

Hat der Prozess bereits eine Monite von Prüfern erhalten? Hat er aus anderen Gründen bereits eine gewisse „Management Attention“ und muss sowieso angepasst werden? Dann bietet es sich häufig an, in diesem Zuge auch gleich den Automatisierungsgrad zu erhöhen. Da die Implementierung von Automatisierungslösungen auch eine Budgetverteilungsfrage ist, kann man den geplanten Sollprozess vielleicht mit wenig Mehraufwand deutlich effizienter gestalten. Häufig lassen sich durch die Automatisierung bestimmte Ziele sogar einfacher erreichen, z.B. eine von Prüfern geforderte lückenlose Dokumentation der einzelnen Prozessschritte. In der Regel wird durch eine automatische Bearbeitung auch die Zuverlässigkeit erhöht, da das Risiko menschlicher Fehleingaben verringert wird.

Last but not least – das Einsparpotenzial:

Am Ende läuft es meistens darauf hinaus, dass sich der Aufwand für die Implementierung der Automatisierungslösung möglichst schnell rechnen muss. Diese Frage stellen sich viele gleich zu Beginn. Die Beantwortung ist aber deutlich leichter, wenn man die genannten Kriterien bereits geprüft hat. Wie wirken sich regelmäßig erforderliche Anpassungen auf das Einsparpotenzial aus? Lohnt sich der Aufwand für die Implementierung jedes einzelnen Sonderfalls oder sind diese so selten, dass man sie besser weiterhin manuell bearbeitet?

Berücksichtigen Sie bei der Berechnung des Einsparpotenzials alle relevanten Einflussgrößen: Umsetzungsaufwand, operativer Aufwand vor und nach der Automatisierung, laufende Kosten für die technische Lösung (z.B. Softwarelizenzen, Wartung), Aufwand für erforderliche spätere Anpassungen, etc.

Dritter Schritt: Umsetzungsreihenfolge festlegen

Auch wenn man vielleicht geneigt ist, den Prozess mit dem größten Einsparungspotenzial als Erstes anzugehen, sollte man daran denken, dass auch die Dauer der Implementierung eine Rolle spielt. Dies betrifft nicht nur die Verfügbarkeit von IT-Ressourcen, sondern insbesondere auch die operativen Bereiche, die während der Umsetzung doppelt belastet werden – durch den (noch manuellen) Regelprozess und zusätzlich durch die Unterstützung bei der Implementierung (z.B. beim Test).

Bevor man also das große Automatisierungsprojekt mit viel Einsparpotenzial startet, kann die schnelle Automatisierung mehrerer kleiner Aufgaben („Quick Wins“) die Mitarbeiter kurzfristig operativ entlasten. Die dadurch frei gewordene Zeit kann dann für die Unterstützung der aufwändigeren Automatisierungslösung genutzt werden.

Fazit

Automatisierung kann die Arbeitslast in chronisch unterbesetzten Bereichen signifikant verringern und in anderen Bereichen dafür sorgen, dass Mitarbeiter mehr Zeit für komplexe Aufgaben übrighaben. Dies ist sowohl kurzfristig – durch schnelle, pragmatische Implementierungen – als auch mittel- bis langfristig durch große Automatisierungslösungen möglich.

Auch wenn einzelne Prozesse sich nicht idealtypisch für eine Automatisierung eignen, muss man sie deshalb nicht von vornherein ausschließen. Der Prozessablauf sollte zunächst grundsätzlich hinterfragt und ggf. angepasst werden, um eine Automatisierung zu ermöglichen.

Bei der Priorisierung mehrerer Automatisierungslösungen ist die Ressourcenverfügbarkeit während der Umsetzung zu beachten, aber auch die Frage, wie schnell und in welchem Umfang die operative Entlastung realisiert werden kann.

In unserem nächsten Beitrag gehen wir dann einen Schritt weiter und widmen uns der Frage, was bei der konkreten Umsetzung zu beachten ist.

Diskutieren Sie mit uns Ihre Automatisierungsideen. Wir verstehen Compliance-Prozesse, bewerten mit Ihnen gemeinsam das Automatisierungspotenzial und können sie technisch digital transformieren. Kommen Sie auf uns zu!

Viele Grüße

Ihr Till Aldinger


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