Der Fall der Deutsche Bank-Tochter DWS gerät seit Monaten immer wieder in die Schlagzeilen. Grund dafür ist unter anderem der Verdacht, Nachhaltigkeitsaktivitäten und Finanzprodukte grüner dargestellt zu haben als sie tatsächlich sind. Nun droht der Bank eine Strafe in Höhe von mehreren Millionen Euro. Dieser Vorfall ist keine Ausnahme. Aufsichten wie die Europäische Bankenaufsicht (EBA) oder die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) bestätigen durch Analysen einen deutlichen Anstieg der Zahlen potenzieller Greenwashing-Fälle bei EU-Banken. Aber wieso geraten Institute so leicht in den Verdacht des Greenwashings? Wo genau liegen die verborgenen Risiken, und welche rechtlichen Leitplanken gibt der Gesetzgeber vor? Das Themenfeld ist komplex:

Klimaneutral bis 2050?

Die EU hat sich bereits vor einigen Jahren das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr auszustoßen und zum ersten CO2-neutralen Kontinent zu werden. Insbesondere der Finanzindustrie schreibt man großes Potenzial zu, das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben. Neben der Finanzierung von verschiedenen Nachhaltigkeitsprojekten helfen Finanzinstitute vor allem dabei, privates Vermögen in nachhaltige Investitionen umzulenken.

Der deutsche Gesetzgeber hat seine Pflicht erkannt, den notwendigen Rechtsrahmen zu schaffen, um die geforderten Ziele der EU umzusetzen und größtmögliche, idealerweise harmonisierte Transparenzvorgaben zu schaffen. Zu den bedeutendsten Vorschriften zählen die EU-Taxonomie sowie die Offenlegungsverordnung, welche auch unter der Bezeichnung Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) bekannt ist. Die EU-Taxonomie legt einheitliche Kriterien für nachhaltige, wirtschaftliche Aktivitäten fest, während die SFDR Finanzakteure verpflichtet, transparente Informationen über die Nachhaltigkeitsaspekte ihrer Produkte bereitzustellen, um Anlegern fundierte Entscheidungen zu ermöglichen.

Neben diesen Vorschriften existieren zahlreiche Informationen und Veröffentlichungen, die eine regelrechte Informationsflut auslösen. Der komplexe „Regulierungsdschungel“ und das auf den zweiten Blick weniger harmonisierte Themenfeld stellt Finanzinstitute, ungeachtet ihres Erfahrungsschatzes, vor erhebliche Hürden. Die daraus resultierende (regulatorische) Unsicherheit trägt zum Risiko des Greenwashings bei und steigert die Gefahr, nicht „compliant“ zu sein. Als wäre das nicht schon genug, hat sich neben der Bedrohung des Greenwashings ein weiterer Begriff aufgetan – das sogenannte „Greenbleaching“.

Greenwashing vs. Greenbleaching

Aufgrund der fortlaufenden regulatorischen Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit, hat sich die Bedeutung des Begriffs Greenwashing kontinuierlich gewandelt. Durch die bislang fehlende Definition führte der Begriff unter den Finanzmarktteilnehmern zu einem unterschiedlichen Verständnis. Erst Anfang Juni 2023 haben die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) schließlich ein gemeinsames Verständnis für den Begriff festgelegt:

„Greenwashing wird als eine Praxis verstanden, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Maßnahmen oder Mitteilungen das zugrunde liegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung entweder absichtlich oder unabsichtlich nicht klar und angemessen widerspiegelt.“

Hinsichtlich des Begriffs „Greenbleaching“ existiert weder eine anerkannte Definition noch ein gemeinsames Verständnis. Verschiedene Veröffentlichungen, wie etwa die der Securities and Markets Stakeholder Group (SMSG), ermöglichen jedoch eine Einsicht in die Bedeutung des Begriffs.

Demnach handelt es sich um Greenbleaching, wenn Finanzmarktteilnehmer ESG-Merkmale ihrer Produkte absichtlich nicht angeben, obwohl diese vorliegen, um Datenprobleme, Berichtspflichten sowie potenzielle rechtliche Risiken des Greenwashings zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. So könnte beispielsweise ein Fondsmanager dazu geneigt sein, Produkte innerhalb der Offenlegungsverordnung als Art. 8 SFDR Fonds und nicht als Art. 9 SFDR Fonds einzustufen.

Die logische Konsequenz der Klassifizierung von Finanzprodukten in Art. 8 SFDR führt dazu, dass einerseits dieser Artikel als eine Art Auffangbecken fungiert und sich andererseits die Art 9 SFDR Fonds in ihrer Anzahl reduzieren.

Diese Entwicklung läuft dem Ziel der EU, mehr Transparenz zu schaffen, entgegen und erzeugt ein Misstrauen unter erfahrenen (Privat-)Anlegern. Jetzt liegt es in der Verantwortung des Gesetzgebers, den erforderlichen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um das Vertrauen in das Konzept der Finanzproduktklassifizierung aufrechtzuerhalten.

Alles im grünen Bereich?

Angesichts der Fülle an Vorschriften sehen sich Finanzmarktteilnehmer häufig mit der Frage konfrontiert, ob sie sich mit ihren nachhaltigen Praktiken in einem regulatorisch sicheren Bereich bewegen oder bereits Gefahr laufen, Greenwashing zu betreiben.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, führt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ihrer Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen (13/2021) einige Negativbeispiele zur Orientierung auf. Laut BaFin müssen zur Vermeidung von Greenwashing bei einem als nachhaltig angebotenen bzw. bezeichneten Investmentvermögens die in den Anlagenbedingungen zur Nachhaltigkeit enthaltenen Regelungen einen ausreichenden Detaillierungsgrad aufweisen.

Die ESMA leistet ebenfalls Unterstützung bei der Klärung des Verständnisses von Greenwashing. Ein Beispiel hierfür ist ihr „Progress Report on Greenwashing“, der am 31. Mai 2023 veröffentlicht wurde (der finale Report ist für Mai 2024 avisiert). Innerhalb des Berichts wird besonders die Irreführung der Verbraucher und Anleger thematisiert.

Als wesentlichen Faktor für irreführende Praktiken beobachtet die ESMA insbesondere eine Entwicklung hin zu einer Verwendung der SFDR als Kennzeichnungssystem, obwohl ihr eigentlicher Zweck in den reinen Offenlegungsverpflichtungen liegt. Zudem hat sich in der Praxis die Gewohnheit entwickelt, den verschiedenen Artikeln eine farbliche Kennzeichnung zuzuordnen. Im Rahmen der Offenlegungsverordnung werden Finanzprodukte gemäß den Artikeln 9, 8 und 6 SFDR unterschieden. Gemäß ESMA werden Artikel-9-Produkte, die ein nachhaltiges Anlageziel verfolgen, fälschlicherweise als „dunkelgrün“ bezeichnet. Artikel-8-Produkte, die ökologische oder soziale Merkmale fördern, jedoch kein nachhaltiges Anlageziel haben, werden als „hellgrüne“ Produkte gekennzeichnet und Artikel-6-Produkte, ohne nachhaltiges Anlageziel, werden in die Kategorie „braune“ Produkte eingeordnet. Die ESMA betont ausdrücklich, dass eine Benutzung dieser Begriffe und die damit verbundene Kategorisierung von den zuständigen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden nicht unterstützt wird.

Auch Mitteilungen können bereits irreführend sein, weil Informationen weggelassen werden, die für eine Entscheidung relevant sind. Gleiches gilt bei falschen Informationen. Hierzu zählt beispielweise eine falsche Einstufung, widersprüchliches Marketing oder fehlerhafte Informationen. Selbst bei der Wahl des Fondsnamens lässt sich das Risiko des Greenwashings nicht ausschließen, da Anleger möglicherweise einen irreführenden Eindruck gewinnen könnten, der ihre Entscheidung beeinflusst.

Greenwashing kann nicht nur auf Produktebene, sondern auch auf Unternehmensebene auftreten. Ein typisches Beispiel für Finanzinstitute ist Werbung, in der die positiven Umweltauswirkungen ihrer Baumpflanzungsaktivität hervorgehoben, die viel größeren Auswirkungen einer Finanzierung im Bereich des Öl- und Gassektors jedoch verschwiegen werden.

Auch Bilder können ein Risiko darstellen. So kann selbst die Abbildung von Windmühlen auf einer Webseite den Eindruck vermitteln, es würde sich um ein nachhaltig orientiertes Finanzinstitut handeln. Das gleiche gilt für überspitzte Bilder auf Webseiten beispielsweise von Solarzellen oder anderen „grünen“ Technologien wie bspw. Windenergie oder Elektromobilität.

Greenwashing kann sogar auf sozialen Medien oder in Podcasts auftreten, wo Influencer oder prominente Persönlichkeiten falsche oder nicht verlässliche Informationen über Finanzprodukte verbreiten.

Durch diese nicht abschließende Liste von Aufführungen wird verdeutlicht, dass die potenzielle Gefahr des Greenwashings nicht ausschließlich auf die falsche Kategorisierung gemäß Art. 8 oder 9 SFDR beschränkt ist, sondern dass der Bereich der Bedrohung weit darüber hinausreicht.

Ausblick

Aus regulatorischer Sicht lässt sich zwar erkennen, dass der Rechtsrahmen kontinuierlich an Reife gewinnt, jedoch verdeutlichen die Umsetzungsherausforderungen, dass weiterer Handlungsbedarf besteht. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Gesetzgeber positionieren wird und wie er auf das Spannungsfeld zwischen Greenwashing und Greenbleaching reagiert.

Die erhöhte Nachfrage nach Finanzprodukten mit Nachhaltigkeitsmerkmalen erzeugt eine zusätzliche Herausforderung für Finanzinstitute. Sie stehen unter intensivem Wettbewerbsdruck, ihr Nachhaltigkeitsprofil zu stärken, dieses transparent zu kommunizieren, nachhaltige Produktlösungen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig weder die Grenzen des Greenwashings noch des Greenbleachings unabsichtlich zu überschreiten.

Nutzen Sie unsere fachlichen und regulatorischen (Projekt-)Erfahrungen und unser Know-how in Sachen Sustainable Finance und sprechen Sie mit uns.

Ihr Peter Mick

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

  +  56  =  59

Verwandte Artikel