Zentralbanken auf der ganzen Welt verstärken ihre Bemühungen zur Erforschung und Entwicklung eigener digitaler Währungen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) erwägt, das Eurosystem erweiternd, die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung als Ergänzung zum Bargeld und nicht als dessen Ersatz. Etwas mehr als ein Jahr nachdem China mit der Pilotphase zum digitalen Yuan gestartet ist, begann die EZB im Jahr 2021 das Projekt Digitaler Euro mit einer zweijährigen Untersuchungsphase zur möglichen Einführung. Diese Phase wurde erfolgreich im vierten Quartal 2023 mit dem Übergang in die Vorbereitungsphase abgeschlossen – ein guter Zeitpunkt, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und einen Ausblick auf das Jahr 2024 zu geben.

Ergebnisse der Untersuchungsphase

Das von der EZB gesetzte Ziel für die Untersuchungsphase war die Klärung des Designs, der Herausgabe und der Verteilung eines potenziellen digitalen Euro, unter Berücksichtigung verschiedener Interessengruppen. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungsphase lauten wie folgt:

Herausgabe und Settlement durch das Eurosystem
Das Eurosystem soll als „Enabler” für die Zahlungsdienstleister fungieren, indem es Sicherheit und einheitliche Standards für alle Teilnehmer gewährleistet.

Verteilung durch Zahlungsdienstleister
Zahlungsdienstleister sollen als Verbindung zwischen dem Eurosystem und dem Nutzer fungieren und die Verteilung des digitalen Euro übernehmen. Voraussetzung, um digitale Euro-Dienste anbieten zu können, soll die Erfüllung der PSD2-Richtlinie sein. Diese Dienste unterteilen sich in die drei Kategorien: Liquiditätsmanagement, Transaktionsmanagement und Nutzerverwaltung. Das Liquiditätsmanagement bezieht sich auf das Aufladen und Abziehen von digitalem Euro-Guthaben. In Bezug auf das Transaktionsmanagement sollen Zahlungsdienstleister unter anderem für Auslösung, Authentifizierung sowie Bestätigung und Ablehnung von Transaktionen zuständig sein. Zur Nutzerverwaltung gehört beispielsweise das On- und Offboarding von Nutzern sowie das Management von Zahlungsinstrumenten, wie zum Beispiel Karten und Wallet-Apps. Neben Wallet-Apps von privaten Anbietern, soll auch eine „Digital Euro App“ mit Basisfunktionen durch die EZB bereitgestellt werden.

Vergütungsmodell vergleichbar mit Kreditkartentransaktionen
Wie das Bargeld soll auch der digitale Euro als öffentliches Gut für alle Bürger frei und kostenlos nutzbar sein. Da Zahlungsdienstleister aber mit erheblichen Investitionen für die Bereitstellung ihrer Dienstleistungen rechnen müssen, können sie, wie auch bei Kreditkartenzahlungen, Gebühren von Händlern fordern. Analog zur Produktion und Herausgabe von Bargeld, soll das Eurosystem seine Kosten selbst tragen.

Offlinetransaktionen über das Secure Element
Offlinetransaktionen sollen zwischen Devices, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden, möglich sein. Für diese Offlinefunktionalität muss vorab Guthaben bei aktiver Internetverbindung auf dem sogenannten „Secure Element” des Endgerätes gespeichert werden. Anschließend können Offlinetransaktionen unter Berücksichtigung von Einschränkungen, wie zum Beispiel eines Überweisungslimits, durchgeführt werden. Bei Verlust, Diebstahl oder Beschädigung kann Guthaben, welches auf dem Secure Element hinterlegt ist, nicht wiederhergestellt werden.

Ausblick auf das Jahr 2024

Die Untersuchungsphase der EZB hat erste relevante Erkenntnisse über die Gestaltung und potenziellen Auswirkungen eines digitalen Euro geliefert. Es wurden vor allem Aspekte in Bezug auf die Aufgabenverteilung, aber auch technische und ökonomische Fragen beleuchtet. Trotz der Fortschritte in der Untersuchungsphase bleiben wesentliche Fragen unbeantwortet. Beispielsweise ist die Entscheidung zur Realisierung des digitalen Euro weiterhin ausstehend, die potenzielle Umsetzung nicht definiert, und auch der Zeitpunkt einer möglichen Einführung nicht datiert.

Um Nutzer für digitales Zentralbankgeld zu begeistern, muss ein attraktives Produktangebot mit klaren Nutzungsvorteilen geschaffen werden. Vorausgesetzt ein digitaler Euro kann sich im Markt behaupten, wird es zu einer Verschiebung im Zahlungsverhalten der Nutzer hin zu digitalem Zentralbankgeld kommen. Dies hat unter anderem Einfluss auf Banken, Zahlungsdienstleister und sonstige Financial-Service-Anbieter. Das aktive Einbinden der Privatwirtschaft in die Entstehung des digitalen Euro ist ein positives Signal und birgt Vorteile für alle Beteiligten: Die EZB bedient sich externer Kompetenzen, um eine wirksame und wirtschaftliche Umsetzung zu gewährleisten. Die Privatwirtschaft engagiert sich proaktiv und partizipiert am Erfolg des digitalen Euro, während anzunehmen ist, dass der Nutzer von einer erhöhten Benutzerfreundlichkeit profitiert. Zum Jahresbeginn 2024 hat die EZB bereits einen großen Schritt in diese Richtung gemacht und im Rahmen der Vorbereitungsphase Bewerbungsaufforderungen („Calls for Applications“) zum Schließen von Rahmenverträgen mit Anbietern der Privatwirtschaft publiziert. Ziel der Ausschreibung ist das Finden von Partnern für die gemeinschaftliche Entwicklung einzelner Komponenten des digitalen Euro, vorausgesetzt, dass die ausstehende Entscheidung auf EU-Ebene im Sinne der Einführung des digitalen Euro ausfällt. Es wird spannend werden zu beobachten, welches Interesse zur Mitarbeit US-amerikanische Internet-Giganten, wie zum Beispiel Amazon und Microsoft, zeigen.

Im Gegensatz zum digitalen Euro weist die European Payments Initiative (EPI) mit dem Bezahlsystem wero einen weitaus größeren Entwicklungsfortschritt auf. Beide Vorhaben, EPI mit wero und die EZB mit dem digitalen Euro, verfolgen das einheitliche Ziel, das Zahlungssystem in Europa zu stärken und auch weiter zusammenwachsen zu lassen. Das Jahr 2024 wird weitere Erkenntnisse liefern, inwiefern diese zwei Initiativen sich erneut tangieren und ob sie zukünftig konkurrieren, parallel bestehen oder gar zusammenabreiten.

Eine Prognose für das gerade begonnene Jahr ist schwierig. Was wir aber mit großer Sicherheit vorhersagen können: 2024 wird ein wegweisendes Jahr für die Entwicklung des digitalen Euro und wird Kritiker und Fans gleichermaßen polarisieren. PPI wird das Thema mit Interesse weiterverfolgen und über relevante Entwicklungen berichten.

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