Während meines Auslandaufenthaltes in Amerika wurde mir ohne Vorankündigung meine Kreditkarte gesperrt. Ich wusste, dass ich dort ohne Kreditkarte aufgeschmissen bin, war panisch und ratlos. Also schnell den Kundenservice kontaktiert, damit mir – so die Hoffnung – möglichst schnell geholfen wird. Nach kurzem Klingeln werden mir die automatischen Standardfragen – wie z. B.:
  • „Dürfen wir dieses Gespräch aufzeichnen?“ – gestellt, bevor ich zum richtigen Kundenberater weitergeleitet werde. 
  • Kurzerhand flötet eine freundliche Damenstimme ins Telefon „Guten Tag Frau Vu, mein Name ist Anja. Was kann ich heute für Sie tun?“

>> Ich erkenne ihren Namen und ihre Stimme vom letzten Kontakt zum Servicecenter. Noch bevor ich mein Problem schildern möchte, fragt sie mich, ob es um die Sperrung meiner Kreditkarte geht. Ich bestätige dies und sie erklärt mir, warum meine Kreditkarte gesperrt wurde. Die Begründung ist plausibel und so bitte ich sie, meine Karte wieder zu entsperren, da ich mich momentan im Auslandssemester befinde und daher viele Transaktionen aus dem Ausland von meiner Kreditkarte getätigt werden. Sie versteht den Sachverhalt, entsperrt meine Kreditkarte und fragt mich, ob ich noch einen weiteren Wunsch habe. Ich bin super erleichtert und habe keine weiteren Fragen. Mein Anliegen wurde sehr zügig und kompetent bearbeitet, ich fühlte mich als Kunde sehr gut verstanden und bewerte das Gespräch mit 5/5 Sternen.

Kennen Sie das? Nein? Ich auch nicht!

Meine Erfahrungen mit unterschiedlichen digitalen Kundenservices waren meist eher negativ geprägt. Endlose Warteschleifen, mehrere Weiterleitungen zum nächsten Kundenberater – und ich, wie ich genervt und verzweifelt zum dritten Mal meine Kundendaten vorlese und mein Problem schildere. Positive Customer Experience? Eher weniger.

Dass die Bankenlandschaft nach wie vor mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat, ist nichts Neues mehr. Das anhaltende Niedrigzinsniveau, hoher Wettbewerbsdruck durch neue Konkurrenten, wie z.B. FinTechs oder Big Techs und das sich verändernde Kundenverhalten, sind nur wenige der vielen Gründe hierfür. Die Kunden wollen heutzutage jederzeit und überall Bankservices in Anspruch nehmen können. Flexibel und unabhängig von Zeit und Ort müssen die Angebote der Banken sein, und natürlich passgenau auf jeden Kunden zugeschnitten.

Doch funktioniert das? Kann die Kundenkommunikation immer mehr auf digitale Kanäle verlagert werden, ohne dass der Kundenkontakt zunehmend unpersönlicher wird? Muss Digitalisierung = unpersönlich sein? Können die Vorzüge der Digitalisierung und die hohen Datenmengen, die im Kundenservice und auf anderen Kanälen gesammelt werden, nicht effizienter eingesetzt werden, um das Kundenerlebnis zu optimieren?

Wie soll ein solches Szenario funktionieren?
Ich wähle die Nummer vom Kundenservice. Aufgrund meiner hinterlegten Rufnummer in meinen Kundenstammdaten erkennt mich das System. Noch während ich mich durch die Standardbegrüßung und -fragen drücke, erscheint dem Servicemitarbeiter auf der anderen Seite mein Kundenprofil. Anhand der Datenanalyse meiner vergangenen Anrufe (Stimme, Keywords, Bewertung, …) konnte außerdem festgestellt werden, welche Servicemitarbeiter mich zuletzt am meisten zufrieden stellen konnten, als ich ein Problem oder Anliegen hatte. Es erfolgt eine bevorzugte Weiterleitung zu genau diesen Mitarbeitern – sofern diese verfügbar sind. Für mich als Kundin ist das durchaus positiv, da ich nicht mit immer wieder wechselnden Mitarbeitern sprechen muss. Obwohl die Kommunikation digital stattfindet, fällt es mir leichter, Vertrauen zu einem Mitarbeiter aufzubauen. Mithilfe meiner Kundenstammdaten und der Anreicherung von historischen Daten aus vergangenen Kundengesprächen konnte ein Kurzprofil von mir generiert werden, welches beispielsweise alle relevanten Informationen sowie meine letzten Transaktionen anzeigt. Der Servicemitarbeiter sieht also in meinem Kurzprofil, dass mir meine Kreditkarte gesperrt wurde. Auch der Grund wird angezeigt: „Es wurden innerhalb eines kurzen Zeitraumes auffällig viele Auslandstransaktionen getätigt. Aus Sicherheitsmaßnahmen wurde die Kreditkarte der Kundin vorläufig gesperrt.“ Ich muss also nicht lange mein Problem schildern, weil der Servicemitarbeiter schon vorher alle Informationen sieht bzw. nur noch Detailinformationen von mir benötigt. Für mich als Kundin eine durchaus positive Customer Experience.

Das obige Beispiel zeigt, dass meine Vorstellung kein Wunschdenken sein muss. Der Anruf im Kundenservice muss nicht immer frustrierend und nervenaufreibend sein. Mit dem richtigen Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Kundenmanagement kann der Datenschatz, den Banken heute bereits besitzen, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil versprechen. Dieser Vorsprung kann nicht nur für die Optimierung bestehender Geschäftsmodelle, sondern auch zur Erschließung neuer Ertragspotenziale genutzt werden. KI kann Banken helfen, ihre Kunden besser zu verstehen und Daten als wertvolles Asset für sich zu nutzen. Es zeigt sich, dass die Analyse und Anreicherung der vorliegenden Kundendaten dazu beitragen kann, das Kundenerlebnis und die Kundenzufriedenheit wesentlich zu beeinflussen. Richtig eingesetzt, können KI-Analysen dazu beitragen, dass das Kundenerlebnis wieder persönlicher wird und der Kunde sich verstanden fühlt, obwohl er nicht seinem Kundenberater des Vertrauens in der Bankfiliale gegenübersitzt.

Bei dem Einsatz von KI im Kundenmanagement gibt es noch viele weitere Anwendungsfälle und Luft nach oben, da die Zuverlässigkeit der Analysen mit wiederholter Durchführung und der wachsenden Ansammlung von Daten stetig verbessert wird. Zwar kann KI nicht alle Probleme der Banken lösen, doch kann sie – vielfach eingesetzt – einen großen Mehrwert bringen. Dabei sollte beim Einsatz von KI nicht nur die Kostenreduktion im Vordergrund stehen, sondern vor allem die Verbesserung von Angeboten und Services aus Sicht des Kunden, um sich von anderen Anbietern abzuheben.

Weitere Anwendungsfälle und Informationen finden Sie auch in unserem Whitepaper „Künstliche Intelligenz im Vertriebs- und Kundenmanagement“.

Viele Grüße
Lilli Jo Horn & Thi Hong Dung Vu

PS: Weitere Informationen zum Thema Risikomanagement finden Sie auch hier: https://www.ppi.de/banken/kuenstliche-intelligenz/

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