Kürzlich fiel mir eine meiner ersten Bewerbungen aus dem Jahr 1986 in die Hand. Darin war zu lesen, dass „es in unserer Volkswirtschaft noch viele Probleme zu bewältigen gibt, bis wir im Stande sind, nicht nur ökonomisch vorteilhaft, sondern auch ökologisch sinnvoll zu produzieren …“. Weiter hieß es, dass es Ziel sein sollte, den Wohlstand zu heben und das Leben sicherer und lebenswerter zu machen. „Sieh mal einer an“, dachte ich mir. Der Kerl war damals noch keine 18 Lenze alt und stand schon dort, wo die EU jetzt hin will. Seinerzeit haben saurer Regen und Tschernobyl einen ersten tiefen Graben im Bewusstsein vieler Menschen hinterlassen und eine erste Ahnung, dass es wohl so nicht endlos weitergehen kann.

Nun, über drei Jahrzehnte später, haben wir einen „Green Deal“ der EU und diverse internationale und nationale Vorhaben und Regulierungsansätze, die offen darauf ausgerichtet sind, die Finanzströme in Richtung eines nachhaltigen Wirtschaftens zu leiten. ESG ist hier das Schlagwort, das immer mehr Raum in der öffentlichen Diskussion der Finanzbranche einnimmt und viele neue und alte Akteure auf den Plan ruft. Dahinter stecken die auch als Nachhaltigkeitsaspekte bezeichneten Themen von E für Environment, S für Social und G für Governance.

Diese Materie ist uns in der Finanzindustrie nicht unbekannt. Sie steht bereits seit einigen Jahren hauptsächlich im Fonds- und Anlageberatungsgeschäft auf der Agenda. Hier geht es im Wesentlichen darum, die sich zunehmend ändernden Präferenzen von Investoren in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit, soziale Mindestnormen und Aspekte der Unternehmensführung zu berücksichtigen. Ganz banale Beispiele sind Investitionen, die auf Waffengeschäfte, Kinderarbeit, Gen- oder Kerntechnik verzichten. Hierfür gibt es schon eine Menge Gütesiegel mit unterschiedlichen Schwerpunkten und unterschiedlicher Akzeptanz.

Ich selbst beschäftige mich mit den recht jungen Anforderungen an das eigene Risikomanagement der Institute. Hierbei geht es nicht allein um die Interessen von Kunden und anderen Stakeholdern, sondern vielmehr um das Eruieren der möglichen und konkreten Auswirkungen von Veränderungen in Umwelt, Gesellschaft und Politik auf die eigenen Risikopositionen. Während die meisten Menschen häufig den „moralischen“ ESG-Score kennen, der hauptsächlich auf Kaufentscheidungen von Investoren abzielt und seine größte Wirkung in der Reputation von Unternehmen entfaltet, geht es zukünftig im Risikomanagement eher darum, diejenigen Treiber zu identifizieren, die die wesentlichen Risiken in den Banken beeinflussen. Aus diesen Kerntreibern wird dann der ESG-Impact-Score gebildet. Er beeinflusst Kreditentscheidungen und fließt in neue Szenarioberechnungen ein.

Das alles ist bei weitem nicht so trivial wie es den Anschein hat. Zudem drängt die Zeit: Die Umsetzung der neuen Datenanforderungen und auch die Implementierung neuer Methoden dauern einfach. Daneben schmerzt mich sehr, dass bei vielen Beteiligten das grundlegende Verständnis für den Umfang des Wandels zu fehlen scheint. Es sind nämlich die gesamte Organisation und sämtliche operativen Prozesse betroffen, angefangen vom Aufsichtsorgan über sämtliche operative Einheiten bis hin zum Hausmeister. Viele Marktteilnehmer scheinen aber den Startschuss immer noch nicht gehört zu haben – schlimmer noch: Sie bewegen sich nicht einmal in Richtung Startblock!

Auch wenn die Branche gerade dabei ist, den zweiten Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeitsbewusstsein zu wagen, so ist der Weg zum Ziel noch weit.

Etwas Orientierung auf dem Pfad liefern hier unsere aktuellen Whitepaper: www.ppi.de/banken/regulatorische-anforderungen/qualitative-bankenaufsicht/whitepaper-esg-risiken/

Thomas Maul

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