Wenn ich so durch mein Smartphone swipe, zähle ich diverse Apps: zwei für Banking, zwei von Versicherungen, eine zum Organisieren meines Aktiendepots, eine Authentifizierungs-App und zwei weitere Applikationen für online Zahlungen. Und dabei ist mir mit Sicherheit etwas entgangen, was sich unter den Begriffen Finance und Insurance einordnen lässt.
Wäre es nicht viel einfacher, wenn alle diese zwar unterschiedlichen, doch irgendwie zusammenhängenden – Applikationen gebündelt werden könnten? Vielleicht ließen sich sogar neue Funktionen wie ein Vertragsmanager oder der Handel von Kryptowährungen einbauen. Das wäre der perfekte “Place-to-be” für meine Finanzen. Meine Kundendaten sind zentral für alle Anwendungen verfügbar, keine Passwortprobleme mehr – und vor allem: Alles was ich benötige aus einer Hand und auf einen Blick. Stand jetzt habe ich meinen “Place-to-be” noch nicht gefunden. Dank Open Banking ist dies jedoch nur noch eine Frage der Zeit, denn es bietet Banken genau diese Möglichkeit: Das Erschaffen eines Ökosystems für Kunden!
Neue Player, neue Regeln – PSD2 als Gamechanger
Open Banking ist ein Begriff, den man in den letzten Monaten vermehrt in allerlei Medien antrifft. Dabei wird häufig von neuen Möglichkeiten zur Interaktion mit Kunden sowie Partnerschaften mit spezialisierten FinTechs durch neue, komplexe und zugleich standardisierte APIs gesprochen. Doch zugegebenermaßen gewann diese Idee erst durch die europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 richtig an Form.
Wie meine Kolleginnen Lilli Jo Horn und Thi Hong Dung Vu in ihrem Beitrag zur PSD2 schreiben: „Ziel der Richtlinie ist es, nicht nur den europäischen Zahlungsverkehr für Kunden sicherer und komfortabler zu gestalten, sondern auch für mehr Wettbewerb zu sorgen.“ Seit dem 14.09.2019 ist die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) im europäischen Raum in Kraft getreten, wodurch etablierte Banken mit neuen Chancen und Risiken konfrontiert sind! Doch was hat das alles mit Open Banking zu tun?
Mehr Chance als Risiko für etablierte Banken
Im Zuge der PSD2-Richtlinie werden Banken aufgefordert, ihre Informationen und Kundendaten mit Drittanbietern zu teilen. Dies unterstreicht die Relevanz dieser Daten für die Banken und ihre Wettbewerber. Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts – und Banken verfügen über eine ungemeine Menge dieses neuen Rohstoffs. Allerdings ist es bis heute noch fast keiner Bank gelungen, diese Daten nachhaltig zu monetarisieren. Open Banking bietet nun genau diese Möglichkeit, indem sich Banken nicht als Monopolisten, sondern als Partner in einem Ökosystem mit anderen, teils auch branchenfremden, Dienstleistern entlang der Customer Journey verstehen. Dabei erhalten FinTechs und andere Drittanbieter Zugriff auf die Kunden der Bank und deren Daten – im Gegenzug erhalten die Banken Provisionserlöse für die Nutzung der Kundendaten.
Die Zusammenarbeit mit Drittanbietern ermöglicht den Banken sich strategisch neu zu positionieren. Durch die Erweiterung ihres Serviceangebots erhöhen die Institute ihre Bindung zu den Kunden nachhaltig. Außerdem führt die Anbindung neuer Module über Drittanbieter auch zu einer deutlich beschleunigten Weiterentwicklung der eigenen Produkte und Services.
Open Banking IST und KANN noch so viel mehr!
Lasst uns noch einmal an das eingangs erläuterte Beispiel der „App für alles“ zurückdenken. Durch die Zusammenarbeit von Banken, FinTechs und branchenfremden Drittanbietern wird der Wunsch einer zentralen Applikation real. Mit der Bank als Orchestrator und erster Anlaufstelle für den Kunden, können klassische Bankendienstleistungen, Insurance Use-Cases und auch branchenfremde Services in Zukunft schnell an das Ökosystem der Bank angebunden und dort zentral verwaltet werden. Der Nutzen für den Kunden steigt hierbei mit jeder Anbindung eines weiteren Drittanbieters. Die Liste der potentiellen Use-Cases erscheint unendlich lang und letzten Endes profitieren alle Beteiligten – eine Win-Win-Win Situation.
Ein kleiner Ausblick: In Deutschland steckt Open Banking noch in den Kinderschuhen – doch wie sieht es in anderen Ländern aus? In unserem nächsten Beitrag werden wir uns den Schweizer Markt und deren Sicht auf die neuen Ökosysteme anschauen. Dies ist der Startschuss und ich freue mich bereits darauf, das Thema Open Banking in zukünftigen Beiträgen aus anderen Blickwinkeln zu beleuchten. Denn davon lebt ein Blog!
Die Diskussion ist eröffnet. Ich freue mich auf eure Kommentare!
Viele Grüße
Georgios Volovotsis
Mehr zu den Herausforderungen der PSD2 erfahren Sie im Beitrag meiner Kolleginnen Lilli Jo Horn und Thi Hong Dung Vu zum Thema „Frustrationsfaktor oder Mehrwert – die neuen Spielregeln und das Ende des Bankmonopols?“
Wie sehen Sie die Zukunft? Mehr Details zu diesem und weiteren Aspekten des Open Banking haben meine Kollegen Guido Köhler und Florian Hartmann in unserer Marktstudie „Open-Banking-Plattformen“ zusammengetragen.